In enger Verzahnung mit den Fallstudien Kurmainz und Kursachsen dient dieses Arbeitspaket einer ontologiebasierten Modellierung und Nutzbarmachung der erfassten historischen Daten im Rahmen eines projektübergreifenden Datenmodells, um Ort und Raum „neu zu denken“ und Daten aus verschiedenen heterogenen Quellen zu integrieren. Ferner setzen wir uns theoretisch und praktisch mit den Möglichkeiten einer längerfristigen Integration historischer Geodaten in (Graph-)Datenbanken auseinander und prüfen Möglichkeiten eines Datenaustauschs mit bestehenden digitalen Ortnamensverzeichnissen (sog. Gazetteers). In der Entwicklung des Datenmodells stützt sich das Projekt auf einen Modellierungsansatz mit CIDOC CRM als Ontologie zur Informationsintegration und nutzt das Modul CRMgeo zur Repräsentation bzw. Modellierung von Geodaten und Information mit Raumbezug, die aus den verschiedenen Quellen gewonnen werden.
Die Datenerhebung geschieht mithilfe von Tabellenvorlagen zur weiteren Datenaufbereitung mit OpenRefine oder GraphDB OntoRefine für den Import in eine Datenbank, eines XML/TEI-Schemas zur Kodierung narrativer Textquellen und Recogito zur Annotation digitalisierter historischer Karten. Die Orientierung am CRMgeo-Datenmodell ermöglicht die Erfassung von Orten, deren räumliche Ausdehnung prinzipiell nicht exakt ermittelt werden kann. So können die Einflussbereiche von Orten modelliert werden, für die sich aus den Quellen widersprüchliche Koordinaten bzw. Polygone ergeben. Auch berechnete Bereiche (z.B. Voronoi-Diagramme) können so einbezogen werden und anhand der Provenienzinformation aufgrund bestimmter quellenbasierter Forschungsdaten als Berechnung gekennzeichnet werden.
Um die Visualisierung von Geodaten verschiedener Provenienz auf Karten oder die Darstellung von Personenverbänden in Netzwerkdiagrammen vorzubereiten, werden die erhobenen Daten entsprechend aufbereitet. Dabei kommen Verfahren zum Einsatz, welche die in den Daten kodierten Informationen mit Normdaten, ereignisbasierten Gazetteers und Metavokabularen wie Wikidata nach dem Linked Open Data-Prinzip verbinden und aufeinander beziehen.
Im Sinne einer „Arbeit am Begriff“ beinhaltet dies eine Problematisierung des historiographischen Ortsverständnisses und eine ontologische Analyse von Raumkonzepten. Geographische Begriffe aus dem Kontext des Alten Reichs sollen so verallgemeinert werden, dass sie für weitere Projekte der raumbezogenen geisteswissenschaftlichen Forschung nutz-und anwendbar sind. Hier kann z.B. auf die für den archäologischen Bereich entwickelte CRM-Erweiterung MIDM (Multiple Interpretation Data Model) zurückgegriffen werden.
Vor allem im Hinblick auf die Anforderungen der Visualisierung sollen die entwickelten Modelle als „Best Practice“-Beispiele und „Ontology Design Patterns“ dienen und eine Datenbankstruktur vorbereiten. Forschungsergebnisse zur Flexibilisierung von Geodatenbanken und alternative Modellierungsansätze wie z.B. ereignisbasierte Zugänge zu geographischen Phänomenen werden in transferfähige Arbeitsprozesse integriert und dokumentiert.
Diese Ergebnisse werden in Online-Tutorials und Handreichungen für die historisch arbeitenden Wissenschaften und ihre Datengeber (Archive, Bibliotheken, historische Vereine etc.) aufbereitet. Außerdem wird eine abschließende Integration aller neu erhobenen Ortsdaten in nationale und internationale digitale Ortsnamensverzeichnisse (wie etwa dem World Historical Gazetteer, Wikidata oder auch dem Geschichtlichen Ortsverzeichnis) angestrebt.